Wie wurde die Zeitschrift
"Brigitte" auf Sie und Ihre Portraitpuppen damals aufmerksam und wann
ungefähr war das? Brachte das damals große Popularität?
Annette Himstedt: Ich habe
damals Ende 1983/Anfang 1984 alle
Frauenzeitschriften angeschrieben, ob sie
Interesse hätten, einen Artikel über meine
Puppen zu veröffentlichen.
Keine
hat sich gemeldet außer die damalige Brigitte
Redakteurin. Sie sagte, dass sie sehr
interessiert wären, aber ich sollte Kinder
porträtieren, die dann ihre eigene Puppe im Arm
halten sollten. Ich habe mir Kinder aus der
Nachbarschaft gesucht und habe sie porträtiert.
Die Brigitte Redakteurin kam mit einen Team von
5 Personen zu mir nach Hause. Ich lebte damals
noch in einem Ort ca. 30 km von Paderborn
entfernt.
Sie
blieben 2 Tage und haben die Kinder mit ihren
Puppen fotografiert. Das hat eine Lawine ausgelöst.
Es folgten eine Unmenge von Zeitungen und
Magazinen unter anderem auch das
Lufthansa-Bordbuch und die Zeitschrift Winners.
Das
Lufthansa-Bordbuch hat alle Rekorde gebrochen. Es
war so ein Ansturm, den ich nicht mehr bewältigen
konnte.
Unter
anderem war ein Scheich aus den Emiraten, der
seine Tochter und seine Nichte porträtiert
haben wollte und ich sollte für ein paar Monate
zu ihm kommen.
Ich
habe nichts dergleichen gemacht, denn ich wollte
keine Porträtpuppen im Auftrag machen, sondern
ich wollte frei arbeiten.
Danach
kam eine große Anzahl von Fernsehauftritten. Die amerikanischen
"News" waren bei mir und haben mich bei meiner Arbeit gefilmt. Es wurde
in Amerika am 23. Dezember 1994 ausgestrahlt. Das japanische
Fernsehen war bei mir und noch verschiedene überregionale
Fernsehsender.
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Frage 2: Ich habe gehört, dass Sie einmal im Fernsehen
(ich glaube bei Thomas Gottschalk) aufgetreten sind - können Sie sagen, in
welcher Sendungund wann das war? Existiert davon noch ein Mitschnitt in Ihrem
Archiv? Annette Himstedt: Ja, bei
Thomas Gottschalk war ich mit den Kindern, den
Puppen und deren Müttern. Im Bus sind wir nach
München zur Aufnahme gefahren. Es war sehr
lustig.
Dann
war ich in einer Sendung mit Mareike Amado und Jürgen
von der Lippe. Dann sollte ich beim „großen
Preis“ mit Wim Tölke auftreten. Er hat persönlich
bei mir angerufen, ich war damals sehr erstaunt.
Das
habe ich dann aber nicht mehr gemacht, auch habe
ich dann keine Interviews mehr gegeben, denn in
den meisten Zeitschriften und auch Zeitungen
wurde alles Mögliche geschrieben nur nicht das,
was ich gesagt habe. Von
den meisten Fernsehauftritten habe ich ein
Videoband. Von dem amerikanischen aber nur das
amerikanische System. Ich habe sie mir alle nie
angesehen, weil mir das nicht wichtig war. Ich
hatte ganz andere Ziele und nicht das Bedürfnis
meine Person in den Vordergrund zu stellen,
sondern ich wollte frei arbeiten und selbst
bestimmen was veröffentlich wird und mich nicht
manipulieren lassen.
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Frage 3: Warum
haben Sie sich damals entschieden eigenständig
Vinylpuppen auf den Markt zu bringen - anstatt
vielleicht bei einem anderen größeren Puppen-
unternehmen unter Vertrag zu arbeiten? z.B. Götz,
Sigikid oder Zapf?
Annette Himstedt:
Das
war auch der Grund, weshalb ich nicht mit anderen Firmen gearbeitt
habe. Denn diese Firmen hätten nur in ihrem eigenen Interesse
gehandelt und nicht in meinem.
Kein Angebot konnte mich locken und glauben
Sie mir, alle haben mir Angebote gemacht, eine hat mir sogar eine
Firmenbeteiligung angeboten.
So war das auch mit Unicef. 1985 ist Unicef
an mich herangetreten und hat mich gefragt, ob ich aus verschiedenen
Kontinenten Kinder modellieren könnte in Porzellan, die dann auf einer großen
Fernsehgala versteigert werden sollten. Diese Sendung sollte Joachim
Fuchsberger moderieren. Das hat mir gefallen und ich habe sofort gesagt, dass
ich die Puppen spende. Ich habe Unicef schon seit meiner frühen Jugend
unterstützt.
Ich bin dann mit einem Unicefbeauftragten für
4 Tage in den Senegal geflogen und habe Afrika wirklich erlebt. Wir sind dann
zu dritt mit einem Entwicklungshelfer in die Slums und in das tiefste Land
gegangen. Wir haben mit einem Kanu einen Fluss überquert der nur aus Schlamm
bestand. Uns kam ein Häuptling entgegen, der gerade gegen Cholera „geimpft“
wurde, weil in seinem Dorf die Cholera ausgebrochen war. Die Impfung wurde mit
einem Rasiermesser ausgeführt, ich habe den Schnitt gesehen.
Wir sind dann in ein Dorf gegangen, es war in der Mittagshitze, ich war kurz
vor einem Hitzeschlag, das fühlt sich nicht gut an. Wir sind dann in die
Dorfmitte unter einen großen Baum gegangen, das war der Treffpunkt der
Dorfältesten, die sich dort jeden Tag trafen. Der Entwicklungshelfer hat in
meinem Namen gefragt, ob ich die Kinder fotografieren dürfte, nach langem Hin
und Her haben sie es mir erlaubt.Sie haben aber nur Jungs holen lassen. Als ich
sie bat, auch Mädchen fotografieren zu dürfen, haben sie sich geweigert. Sie
haben wirklich gesagt, Mädchen seien nichts wert. Sie konnten gar nicht
verstehen, dass ich es unbedingt wollte. Ich habe es dann doch noch geschafft,
sie zu überzeugen.
So kam es, dass ich unter anderem auch Fatou fotografiert habe, ein ganz
schüchternes und ernstes Mädchen. – Wen wundert das ...
Übernachtet haben wir in einer Lehmhütte auf
dem nackten Fußboden ohne Decken oder ähnliches. Die Kakerlaken liefen auf dem
Boden herum, sie waren überall. Es war kein Wasser da und nichts, was auch nur
an Hygiene erinnert. Ich habe mir dort eine Salmonellenvergiftung geholt, die
im Nachhinein sehr schwierig auszukurieren war. Ich habe in den Jahren viel erlebt, was oft auch sehr schwer war. Als
wir dann wieder zuhause waren, hat Unicef das Konzept geändert. Sie wollten von
den Puppen, die ich gemacht habe, 20 cm kleine Puppen machen die zwischen 20
und 30 DM damals liegen sollten, und von denen 5 DM für Unicef sein sollte. Ich wusste genau, dass es das Ende von meinen Puppen bedeuten würde. Für
20 DM eine einigermaßen ansehnliche Puppe herzustellen, ist einfach unmöglich.
Ich habe abgesagt!
Das war das Erlebnis mit Unicef. Und so war es mit allen, die mit mir arbeiten
wollten.
In den ersten 10 Jahren hatte ich mit den Vertrieben noch Lizenzverträge und
das heißt, dass der Lizenznehmer (also die Vertriebe) das Recht haben, zu
produzieren. Niemandem habe ich das Recht bewilligt, trotz der Verträge und
alle haben sich daran gehalten. Schlimm war es mit Mattel, ich habe einen 10
Jahre langen Kampf geführt, denn Mattel hatte noch nie ein Produkt gekauft und
nur vertrieben. Mattel produziert alle Artikel selbst. Immer wenn
ich bei Mattel war, zu den Signiertouren, habe ich vor 8–10 Leuten gesessen
die mich davon überzeugen wollten, dass es besser wäre, die Puppen bei Mattel
zu produzieren. So eine Zusammenarbeit mit Mattel und mir hat es nicht gegeben und wird es
auch nie wieder geben. Aber letztlich hat Mattel es akzeptiert. Sie haben nach
außen zwar immer so getan, als wenn sie die Puppen herstellen würde, was mich
zugegebener Maßen sehr geärgert hat, aber sie haben sie von mir gekauft und
dann vertrieben.
Es war eine sehr schwere Zeit für mich und nach 10 Jahren habe ich den Vertrag
gekündigt und den Vertrieb in den USA selbst gemacht.
Das war ab der Kollektion 1996. Der damalige
Präsident von Mattel hat mich danach jedes Jahr auf der Toy Fair in New York
besucht, das hat mich sehr gefreut. Ab 1996 habe ich bis auf Deutschland, die
Puppen in allen Ländern selbst vertrieben. In Deutschland habe ich es ab 1998
selbst gemacht.
Mich von dem deutschen Vertrieb zu lösen, war sehr teuer für mich, ich musste
einen Prozess führen, weil der Vertrieb die Puppen nicht aufgeben wollte.
In Holland ebenso, den Prozess habe ich ohne
Einschränkung gewonnen.
Genauso war es mit der Vinyl Produktion in Spanien, auch da musste ich mich in
einem Prozess loskaufen, ich habe zwar gewonnen, aber ich musste trotzdem viel
Geld bezahlen.
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Frage 4:
Was hat Sie
veranlasst, die Vinyl-Produktion von Spanien
nach Deutschland zu verlegen?
Annette Himstedt:
Ih habe deshalb die Vinyl
Produktion zu mir nach Paderborn verlagert, weil die Puppen immer aufwendiger
wurden und die Zusammenarbeit auf die Entfernung bei den schwierigen Details
nicht funktionieren konnte.
Sie haben ja selbst gesehen, wie wir hier arbeiten. So etwas ist nur möglich,
wenn man alles im eigenen Haus hat.
Damals war es zwar noch nicht ganz so kompliziert und hochwertig, aber die
Anfänge waren für mich erkennbar und ich wusste was ich wollte, aber die
anderen wollten nicht, was ich wollte. Sie fanden alles zu aufwendig und zu
schwierig. Es war aufreibend ohne Ende.
Das ist der Grund, warum ich mit keiner anderen Firma zusammengearbeitet habe.
Für die anderen ging es nur um den Profit und überhaupt nicht um die Puppen. Die
waren nur Mittel zum Zweck.
Wenn ich die Produktion in Spanien gelassen hätte oder wenn ich mich von den
anderen Firmen hätte überreden lassen, bei ihnen zu produzieren, gäbe es meine
Puppen heute nicht mehr.
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Frage 5:
Wissen Sie wie
viele Clubgeschenke von 1998, kleines Lieschen,
ungefähr hergestellt wurden?
Annette Himstedt:
Bei dem kleinen Lieschen
konnte ich die ganz genauen Zahlen nicht sagen. Damals ist durch einigen
Personalwechsel im Club nicht alles ganz genau festgehalten worden. Aber es
waren mehr als 4.000 Stück.
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Frage 6:
Werden Sie in den nächsten
Jahren wieder auf Messen (z.B. Nürnberger
Spielwarenmesse) oder auf Börsen (z.B.
Eschweger Puppenfesttage, DollArt in Darmstadt,
...) ausstellen?
Annette Himstedt:
Auf die Nürnberger
Spielwarenmesse und die Toy Fair in New York gehen wir nicht mehr. Wir haben
jetzt nur noch 33 Händler und diese beiden Messen sind nur Messen für
Wiederverkäufer. Das lohnt sich nicht mehr, weil wir auch keine zusätzlichen
Händler mehr aufnehmen.
Ob wir auf andere Veranstaltungen gehen werden, weiß ich im Augenblick noch
nicht, aber mein Zeitmangel sagt im Augenblick „Nein“.
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Frage 7:
Werden Sie wieder
ein Original herstellen - eine Porzellanpuppe
die als Unikat oder Kleinst-/Kleinserie
hergestellt wird - und auch nicht als
Manufakturpuppe (Vinyl/ Porzellan) auf den Markt
kommt?
Annette Himstedt:
Es kann sein, dass ich mal
wieder eine Porzellanpuppe machen werde, dann aber nur eine ganz kleine
Auflage. Eine Vinyl Puppe mache ich aber ganz sicher nicht in Porzellan.